Literatur findet Worte für alles, sollte man glauben. Das vorliegende Werk jedoch hat uns zuerst sprachlos gemacht. Und – es war nicht der Inhalt. Es war auch nicht der eigentliche Schöpfer des Werkes, der hinter sein Werk zurückgetreten ist und heute, von einer Aura des genialen Denkers umgeben, in alle Geschichtsbücher unserer Welt Eingang gefunden hat. Der Genius des Wolfgang Johann von Goethe hat uns ein Werk hinterlassen, das die Menschen seit fast 200 Jahren begeistert, beglückt und bewegt. Faust I und Faust II – wie viele Geschichten und wie viel Geschichte damit verbunden ist, keiner vermag es zu sagen. Jeder kennt einige Textstellen, hat einige in Hexametern verfasste literarische Bilder auswendig gelernt, hat sich vielleicht sogar mit dem Werk des Genius Goethe gequält. Abiturienten, Schauspieler und Intendanten kennen den „Faust“ auswendig, haben ihm Leben gegeben oder ihn inszeniert.
Die Verfassung und Ausstattung des Werkes fand sich in Rollenbüchern, in ledergebundenen Folianten, in Lettern gegossen und in anderen, in tausendfachen Formen wieder. Faust I und Faust II gelernt, verstanden, verflucht und zuweilen abgöttisch geliebt, trifft uns nicht nur auf der Bühne, nicht nur hinter der Schulbank oder in der Verfilmung. Das Werk, und seien es nur Teile daraus, trifft uns als Zitat, als Lebensweisheit oder Wahrheit, als Slogan und als Gedicht, als Spott und als Ermahnung.
Faust I und Faust II, ein literarisches Heiligtum der Deutschen, neben dem Nibelungenmythos und dem Simplizissimus stehend, wird uns und kommende Generationen überleben, wird unsterblich bleiben.
Ein winziges Stück Unsterblichkeit hat jetzt ein Lehrer diesem Werk mitgegeben. Es mag für ihn viele Empfindungen gegeben haben, aber nur ein einziger wahrer Grund wird bewegt und aufgefordert haben, das Werk des Meisters abzuschreiben – Faszination. Ein Dutzend Jahre hat Erhard Eichhorn vor diesem Werk gesessen und es so abgeschrieben, wie er es nur konnte und vermocht hat. Seine Biografie ist in die Form eingeflossen. Als Schüler einer kleinen Dorfschule erlernte er von 1932 bis 1940 die Deutsche Schrift zu schreiben, wie eben jeder Schüler in dieser Zeit. Später studierte er den Beruf des Lehrers. Und – es hat ihn immer fasziniert, Goethes Meisterwerk.
Vor uns liegt das Buch: Fast 800 Seiten stark und in sorgfältiger Schrift ist der „Faust“ so zu lesen, wir wir ihn noch nie gesehen haben. Neben der altdeutschen Schrift „Sütterlin“ steht die deutsche Fassung in lateinischen Buchstaben, so wie wir alle Schriften kennen, und daneben läuft die englische Fassung über die Seiten, mühelos dem Rhythmus und der Logik der Verse angepasst, leicht verständlich und eine wahre Freude für jeden Freund des „Faust“. Anderthalb Liter Tinte hat der Verfasser des kalligrafischen Wunders, das vor uns liegt, in den zwölf Jahren verbraucht. Tausende Stunden hat er gesessen und er hat sich geschunden am „Faust“, wie vielleicht kein anderer Mensch, außer Johann Wolfgang von Goethe selbst. Es kann sein, dass durch diese „geistige Tat“ eines einfachen Lehrers wir alle sprachlos werden vor dem Werk, es neu entdecken und uns stumm darüber beugen und staunen: Welch ein Wunder und welch eine Macht stecken in der Vernunft eines Werkes, bietet es sich in seiner gesamten Ästhetik dar.

Die Verleger Reinhardt O. Cornelius-Hahn und Konrad Potthoff