Im Jahr 1894 stellte der Schriftsteller Calixto Oyuela fest, dass Argentinien glücklicherweise die amerikanische Nation sei, die nach den USA das schädliche indianische Element am eindrücklichsten vertrieben habe. Tatsächlich hatte sie - wie ihrerseits die USA - seit der Staatsgründung eine Politik gegenüber den autonomen Ethnien der Pampa, Patagoniens sowie des Chaco betrieben, die auf Vertreibung, gewaltsame Unterwerfung und physische Dezimierung hinausgelaufen war. In beiden Staaten war die Ursprungsbevölkerung am Ende des 19. Jahrhunderts durch Offensivkriege und Vernachlässigung seitens der Regierungen zahlenmäßig stark zurückgegangen, ihre ethnische Identität gefährdet. Die vorliegende Arbeit untersucht anhand edierter Quellen (Gesetze, Verträge, Regierungsakten, Zeitungsartikel) Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Indianerpolitik der USA und Argentiniens in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als bis dahin 'freies Indianerland' in das Staatsgebiet eingegliedert wurde. Schwerpunkte sind die Politik gestaltenden Gesellschaftsgruppen, ihre Motive sowie die für die Umsetzung gewählten Mittel. Abschließend verdeutlicht ein Blick auf die Darstellung der Indianerpolitik in der jeweiligen Nationalgeschichtsschreibung den Wandel im Umgang mit diesem emotional besetzten Thema der Landesgeschichte.