„Autokanzler“, „Basta-Kanzler“, „Konsenskanzler“, „Medienkanzler“, „Reformkanzler“ – Gerhard Schröder spielte viele verschiedene Rollen auf der politischen Bühne. Nicht immer waren diese Rollen freiwillig gewählt. Vielmehr sind es die Medien, die durch ihre Berichterstattung ganz entscheidend das Bild, das sich die Bürger vom Kanzler machen, prägt. Die Medien, denen traditionell die Aufgabe zufällt, das politische Geschehen zu beobachten und darüber zu informieren sowie Entscheidungen und Argumente der Akteure zu analysieren und zu bewerten, neigen häufig dazu, Politikern entsprechend ihrer politischen Stellung und Einstellung, ihrer Verhaltens- und Kommunikationsweisen bestimmte Etiketten anzuheften. Dem Kanzler aber, der in seiner Funktion als Regierungschef eine zentrale und singuläre Person im politischen System der Bundesrepublik darstellt und daher stets im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses steht, schreiben die Medien im Laufe seiner Amtszeit eine Vielzahl von Rollen auf den Leib. Manche von diesen Etiketten finden als wohlklingende Beinamen Eingang ins Geschichtsbuch und mithin ins kollektive Gedächtnis: Konrad Adenauer etwa wird heute als „Gründungskanzler“ bezeichnet, Ludwig Erhard blieb als „Volkskanzler“ in Erinnerung, Willy Brandt gilt gemeinhin als „Friedenskanzler“, und Helmut Kohl trägt den Ehrentitel „Einheitskanzler“. Hinter dergleichen personenbezogenen Wortschöpfungen steckt indes nicht selten politisches Kalkül. Denn Medien sind keineswegs neutrale Beobachter, sondern wirken in erheblichem Maße auf den Prozess politischer Meinungsbildung ein, indem sie durch ihre Berichterstattung politische Realität schaffen, mittels Kommentaren politisch Position beziehen und – wie Politiker auch – nach Deutungshoheit sowie Durchsetzung von Meinungen und Weltbildern streben. Wie beurteilten die Medien Gerhard Schröder und seine Kanzlerschaft? Welches Etikett trifft auf ihn zu? War Schröder nur ein „Brioni-Kanzler“ und „Spaßkanzler“? Oder doch eher ein „Agenda-Kanzler“ und „Wirtschaftskanzler“?