Anton Praetorius - ein Kapitel Büdinger Geschichte

Mitten in die Zeit der Hexenprozesse führt die neue Veröffentlichung der Geschichtswerkstatt Büdingen. Mit der bislang unveröffentlichten Originalschrift „De Pii Magistratus Officio“ des Pfarrers Anton Praetorius von 1596 und einer ausführlichen Schilderung seines Wirkens in der Wetterau stellt die Geschichtswerkstatt einen der wenigen couragierten Kämpfer gegen die Hexenverfolgungen vor. Neben dem lateinischen Text mit deutscher Übersetzung ist auch der Ursprungstext als Faksimile abgedruckt.

Hartmut Hegeler, Pfarrer und ausgewiesener Kenner von Praetorius, beschreibt in seiner umfassenden und detaillierten Einleitung dessen Wirkung in der Region. Zugleich legt er die Wandlung des Praetorius zu einem glühenden Gegner und Kritiker der menschenverachtenden Praktiken der Verfolgungen und Verbrennungen dar.

Anton Praetorius wurde 1560 in Lippstadt/ Westfalen als Sohn von Matthes Schulze geboren. Er besuchte die Lateinschule und studierte Theologie. Dem Trend der Zeit entsprechend übersetzte er seinen Namen in die damalige Weltsprache Latein und nannte sich fortan Praetorius. 1596 schrieb er ein lateinisches Lobgedicht auf den reformierten Regenten von Büdingen-Birstein, Graf Wolfgang Ernst.

Praetorius ist einer der ersten Theologen, der sich von seiner christlichen Grundüberzeugung her mit der Folterpraxis und den Hexenverfolgungen seiner Zeit auseinandersetzt. Seine lateinischen und deutschen Schriften sind geprägt von fundierter Bibelkenntnis und machen deutlich, wie er immer neu um einen eigenen Standpunkt ringt. Zugleich zeigen sie die Veränderung seiner Lebens- und Glaubensüberzeugungen durch die Konfrontation mit dem
Unrecht seiner Zeit.

Seine Erlebnisse in dem Hexenprozess in Birstein bedeuteten die Wende in seinem Leben. Er distanzierte sich von Calvins und Luthers Aufruf zur Verbrennung der Hexen und wurde ein glühender Verfechter der Menschenrechte in Zeiten des Hexenwahns, begründet in christlicher Barmherzigkeit und Nächstenliebe. Er wandte sich gegen alle Formen staatlich-religiösen Terrors und gegen die Folter, sodass er als Vorläufer von amnesty international bezeichnet worden ist. Er hatte den Menschen seiner Zeit mit Argumenten aus der Bibel Mut gemacht im Einsatz gegen Hexenprozesse und Folter. Besonders beeindruckend ist, dass er den Mut hatte, diese Schrift vor 400 Jahren unter seinem eigenen Namen zu publizieren.

"De Pii Magistratus Officio" war unbekannt und in keinem Katalog verzeichnet. Die Schrift ist weltweit nur in einem einzigen Exemplar in der Universitätsbibliothek Gießen erhalten. Nach mehr als 400 Jahren kann sie nun als bedeutsames Zeitdokument zugänglich gemacht werden und erlaubt eine intensivere Beschäftigung mit dem Wirken von Pfarrer Praetorius.

Der lateinische Originaltext wurde 2001 in der Universitätsbibliothek Gießen aufgefunden und ist gekennzeichnet durch zahlreiche handschriftliche Unterstreichungen und Korrekturen, so dass die Vermutung berechtigt erscheint, es handle sich um eine Art Korrekturfahne. Da bisher keine korrigierte Druckfassung gefunden wurde, kann über eine Endfassung des Textes und seine tatsächliche Verwendung nur spekuliert werden. Stichwortartig umfasst der Titel des Gedichtes die Kernaussage des Antonius Praetorius: Zuallererst hat der Amtsträger fromm zu sein. Dann ist für ihn die Kirchenreform nach der Norm des Wortes Gottes Amtspflicht. Dabei steht das Recht auf seiner Seite. Zur Durchsetzung der Reform verfügt er über die dazu erforderliche Amtsgewalt. Die Dichtung des Praetorius ist einerseits als Huldigungsschrift an Graf Wolfgang Ernst zu sehen, soll aber auch andererseits den jungen Fürsten zu durchgreifenden kirchlichen Reformschritten ermutigen.

Streit um die wahre Religion und Schwinden der wahren Gottesverehrung sieht Praetorius als Ursache für den Zorn Gottes. Die großen Nöte seiner Zeit deutet er als Gottes Strafe. Rettung kommt für ihn aus dem Studium der Schrift. Das hierin enthaltene Wort Gottes weist den Weg zur Reform der Kirche. Nach dem Beispiel des Moses sieht er die staatliche Obrigkeit in der Pflicht, dem so erkannten Willen Gottes Geltung zu verschaffen. Gleich Moses genießt die staatliche Obrigkeit uneingeschränkte Vollmacht bis hin zur Gewaltanwendung. Wahre Frömmigkeit lässt sich für Praetorius jedoch nicht durch Gewalt erzwingen. „Frei ist nämlich der Glaube.“ „Himmlischer Hauch“ bewegt ihn (V. 184). Deshalb preist er selig den Fürsten, der auf diese gewaltlose Weise die Kirche reformiert. „Glücklich“ nennt er das Volk, welches von seinem Fürsten so regiert wird.

Anton Praetorius hat es in seinem Leben nicht leicht gehabt. Trotzdem hat er vorgelebt, was auch in der heutigen Zeit wichtig ist: Glauben und Zivilcourage. Die Übersetzung des Textes erfolgt nicht in Reimen, sondern ist bemüht, den Sinn des lateinischen Originals zu erschließen. Dem dient auch die seitenweise Gegenüberstellung des lateinischen und deutschen Textes, der mit seinen lokal-regionalen Bezügen auch vorzüglich im Latein-und Geschichtsunterricht eingesetzt werden kann.