Die Nouvelle Vague gilt als Wendemarke in der Geschichte des Kinos, die innerhalb kurzer Zeit weltweit eine Veränderung in der Wahrnehmung des Kinos nach sich zog.
Die Nouvelle Vague wird in diesem Buch als Mythos, als ein nicht eindeutig beschreib- und verortbares Phänomen vorgestellt. Vielmehr ist sie eine die Wahrnehmung des Kinos bestimmende und ordnende Diskursformation, die von der Analyse nicht restlos einholbar ist. Denn der Filmdiskurs ist noch heute von der Nouvelle Vague beeinflusst. (z.B. Autorenfilm, die Autoren- und Werk-orientierte Filmgeschichtsschreibung, die kanonisierten Klassiker der Filmgeschichte, bestimmte Schreibweisen der Filmkritik usw.)
In der Filmgeschichtsschreibung wird diese Wende unterschiedlich bezeichnet: als Geburt des Kinos der Moderne, als Geburt des Autorenfilms oder als Durchsetzung des Kinos als Kunst. Erzählt wird sie gemeinhin als Revolte der Jugend: Ende der 50er Jahre drehten die jungen Filmkritiker Truffaut, Godard, Chabrol, Rivette und Rohmer aus Wut über das „cinéma de papa“ ihre eigenen Filme und lösten eine Revolution im Kino aus. Die Wirkung der Nouvelle Vague auf die Wahrnehmung des Kinos steht in ihrer Nachhaltigkeit und Verbreitung in keinem Verhältnis dazu, dass ein paar zornige junge Leute Filme gemacht haben. Wie kamen sie zu ihrer Wut? Wie zur Revolte? Warum und wo stießen sie auf Akzeptanz und was beförderte eine so rasche und weite Verbreitung ihrer Ideen?

Inhalt
Ausgehend von Truffauts Triumph in Cannes 1959 mit seinem Film Les 400 coups wird im ersten Kapitel die Geburtsstunde der Nouvelle Vague beschrieben Das zweite Kapitel zeichnet die Herausbildung eines Antagonismus im französischen Film nach, vor dessen Hintergrund die Nouvelle Vague als Revolution erscheinen konnte. Die folgenden Kapitel zur Cinephilie und Filmkritik untersuchen die Herausbildung theoretischer Voraussetzungen für eine neue Wahrnehmung im Kino: die Ursprünge des Autorenkonzepts und die strategische Bedeutung der politique des auteurs. Für den Erfolg der Nouvelle Vague spielt neben der theoretischen Fundierung die legendenhafte Erzählbarkeit ihrer Geschichte eine große Rolle. Exemplarisch wird anhand der Produktionsgeschichten einiger Filme und mit Blick auf schon früh erstellte Chronologien, erkennbar, wie die Beteiligten selbst am Bild der Nouvelle Vague mitgearbeitet haben.