Ein Jahrzehnt der Kriege beherrschte das ehemalige Jugoslawien von den ersten Gefechten in Slowenien 1991 bis zu den Auseinandersetzungen um das Kosovo 1998/1999. Der Vielvölkerstaat, der sich unter Tito früh vom Stalinismus losgesagt hatte, um in Politik und Kultur einen eigenen, ‚dritten Weg’ zu verfolgen, zerbrach darüber. Alte Nationalismen, überholte Großmachtphantasien und politische Führungsansprüche kamen zum Vorschein. Sie forderten nicht nur die internationale Staatengemeinschaft zum diplomatischen und letztlich militärischen Handeln heraus, sie trafen auch ins Herz der politischen und gesellschaftlichen Debatten um die europäische Einigung und die zukünftige Gestalt Europas. In diesem Buch geht es jedoch weder um eine politische oder zeithistorische, noch um eine rechtsphilosophische oder psychologische Aufarbeitung der Kriege im ehemaligen Jugoslawien, obwohl alle genannten Aspekte thematisiert werden. Das Interesse richtet sich vielmehr auf den Beitrag der Künste, verfolgt, wie Fotografie, Dokumentar- oder Spielfilme, Theaterstücke, Gedichte, Essays oder Romane auf die kriegerischen Ereignisse reagiert und welche Formen der Darstellung sie dafür gefunden haben. Immer geht es dabei auch zugleich um die spezifische Reflexionsarbeit, die von den Künsten geleistet wird. Denn in ihrem symbolisch-verdichtenden Verfahren setzen sie die Ereignisse, Themen und Narrative der verschiedenen kriegerischen Konflikte bereits als diskursiv geformt voraus. Dagegen stellen sie ihre nicht zuletzt medial bedingte Weise, den Krieg zu sichten, um sie reflexiv daran zu messen.