Die vorliegende Arbeit untersucht die Auswirkungen von Reflexionen in der Windschutzscheibe bei Tageslicht auf den Fahrer. Aus den Ergebnissen werden ergonomische Empfehlungen abgeleitet, mit denen die Wahrnehmungssicherheit sowie der Komfort des Fahrers erhöht werden kann.

Im theoretischen Teil der Arbeit wird zunächst dargestellt, wie Reflexionen im Sinne einer physiologischen Blendung den Kontrast von Sehobjekten im Verkehrsraum reduzieren. Um den quantitativen Einfluß der Reflexionen auf die Sehschärfe vorherzusagen, wird eine Formel von Adema und Krochmann (1976) herangezogen. Zur Untersuchung des qualitativen Einflusses von Mustern in den Reflexionen wird die Additive Faktorenmethode von Sternberg (1969) mit der Operationalisierung von Sanders (1990) angewendet. Es wird ferner davon ausgegangen, daß Reflexionen als psychologische Blendung erlebt werden und dadurch den Komfort des Fahrers beeinträchtigen. Da mit zunehmendem Alter die Wahrnehmungsleistung nachläßt und der Anteil älterer Fahrer immer stärker zunimmt (Schlag, 1992, 1993, 2001), werden schließlich die Auswirkungen der Reflexionen auf ältere Fahrer unter ergonomischen Gesichtspunkten erörtert.

Zur Überprüfung der theoretischen Überlegungen wurde in einem lichttechnisch kontrollierbaren Labor ein Fahrzeugmodell mit einer verstellbaren Windschutzscheibe aufgebaut. Über dem Modell wurde ein HMI-Tageslichtscheinwerfer montiert, mit dem auf der Windschutzscheibe Beleuchtungsstärken bis ca. 90 kLux erreicht wurden. Durch verschiedene Auflagen für die Instrumententafel konnten homogene und heterogene Reflexionen erzeugt werden. Vor dem Modell wurden den Probanden auf einer Leinwand computergestützte Aufgaben präsentiert, um die Sehschärfe, die Reaktionszeit sowie die Leistung in einer Nebenaufgabe zu messen. Zusätzlich wurden den Probanden Fragebögen vorgelegt, mit denen die subjektiv erlebte Beanspruchung nach Eilers, Nachreiner und Böning (1989, 1990) sowie der wahrgenommene (Dis)Komfort erfragt wurde. In sechs Experimenten wurden die Auswirkungen der Intensität und der Struktur von Reflexionen in der Windschutzscheibe auf insgesamt 210 Probanden unterschiedlicher Altersgruppen untersucht.

Die Ergebnisse zeigen bei homogenen Reflexionen einen proportionalen Zusammenhang zwischen der Reflexionsleuchtdichte und der Sehschärfe, der Reaktionszeit sowie der erlebten Beanspruchung. Die Formel von Adema und Krochmann (1976) konnte dabei nicht bestätigt werden. Weiterhin konnte ein logarithmischer Zusammenhang zwischen Reflexionsleuchtdichte und wahrgenommenem Diskomfort gefunden werden. Auf die Leistung in einer Spurhalteaufgabe hatten homogene Reflexionen keinen Einfluß. Bei heterogenen Reflexionen gleicher Helligkeit hatte das Muster (Ortsfrequenz) einen Einfluß auf die Reaktionszeit, die erlebte Beanspruchung und den wahrgenommenen Diskomfort. Im Vergleich zu homogenen Reflexionen erhöhten sie die Reaktionszeit stärker und wurden als umkomfortabler erlebt. Darüber hinaus konnte für heterogene Reflexionen ein negativer Einfluß auf die Leistung in einer Nebenaufgabe nachgewiesen werden. Mit zunehmendem Alter der Probanden und zunehmender Reflexion nahm die Sehschärfe überproportional ab. Die subjektiv erlebte Beanspruchung durch Reflexionen nahm in einem Experiment mit zunehmendem Alter ab, in einem anderen zeigten sich hingegen keine Altersunterschiede. Bei einer kontinuierlichen visuellen Nebenaufgabe konnten keine Altersunterschiede gefunden werden.