Dissonanz liefert der Kunsttheorie eine Kategorie erster Ordnung, die weder in Bezug auf Wahrheit, noch auf Erhabenheit zu beschrieben ist. Dissonanz ist ein formrelevantes ästhetisches, nicht metaphysisches Formular und als Strukturgesetz, nicht als beliebig inhaltlich besetzbare Emphase zu verstehen. Sie wird als Prozessbegriff gefasst und als Kennzeichen einer Intensität durchsichtig gemacht, die Effekt einer formalen Kohärenz ist, zugleich Schein und dessen Destruktion. Sollte die christliche Dissonanz, wie auch die der Tonalität und des Idealismus, die Aufhebung aller Spannungen in die erlösende Ruhe der Kadenz befördern, so beschreibt Dissonanz als schrecklich-schöne das Nichtfallen in die finale Einheit: eine De-Kadenz.