Kritik der 'Vergangenheitsbewältigung' in der deutschen Gegenwartskultur.

Seit 1945 sind kulturindustrielle Medien Austragungsort der Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit. Die Fokussierung auf die deutsche Bevölkerung als Opfer im derzeitigen Boom von Büchern und Filmen, die sich mit dem Alltag im Nationalsozialismus beschäftigen, ist kein neues Phänomen. Aktuell ist aber der Entwurf eines historischen Selbstverständnisses
einer nach 1989 entstandenen nationalen Identität, die Auschwitz in die (Re-)Inszenierungen der deutschen Erinnerungsarbeit integriert. Die Berliner Republik ist zu einer Erzählgemeinschaft geworden, in der jeder 'Zeitzeuge' und jede 'Zeitzeugin' seinen bzw. ihren Platz hat.
Diese Tendenz korrespondiert mit einer stärkeren Öffnung von Jugend- und Populärkultur hin zu nationalen und historischen Themen. In der Musik, im Computerspiel oder im Hörspiel werden jene Geschichtsbilder mitverhandelt, die auch auf der Kinoleinwand und im Fernsehen zu bewundern sind. Auf der medialen Bühne
der nationalen Inszenierung hat die dritte Tätergeneration einen privilegierten Platz. Die neue Unbefangenheit im Umgang mit der Geschichte, in der Auseinandersetzung mit den Erfahrungen der eigenen Großeltern, der Wunsch, bei der Weltmeisterschaft auch einmal unbeschwert 'Schwarz-Rot-Geil' zu sein, macht diese Generation zum Protagonisten eines neuen postnazistischen
Nationalgefühls.
'Deutschlandwunder – Wunsch und Wahn in der postnazistischen Kultur' untersucht die Bedeutung von Familie, Generation, Geschlecht, das Verhältnis von Individuum und Masse, von Antisemitismus und Opferdiskurs in Literatur, bildender Kunst, Popmusik, Hörspiel, Film und Computerspiel von den Fünfzigern bis in die Gegenwart.
Mit Beiträgen von Dietrich Kuhlbrodt, Andrea Trumann, Magnus Klaue, Sonja Witte, Lars Quadfasel, Tobias Ebbrecht, Julia Anspach u. a.