„Herren“ und „Landwirte“ prägten Politik und Gesellschaft Ungarns im 19. Jahrhundert auf sehr verschiedene Weise. Zunächst profitierte die Landwirtschaft insgesamt von der Agrarkonjunktur und erlebte eine ökonomische und technische Modernisierung. Nach dem Beginn der europäischen Agrarkrise im letzten Viertel des Jahrhunderts versuchten insbesondere die aristokratischen Großgrundbesitzer, ihre soziale Position gegen die wachsende Macht des mobilen Kapitals zu behaupten, indem sie eine „agrarische Bewegung“ schufen. Diese wurde nicht zuletzt durch Agrarfachleute getragen, die sich zunehmend aus den Klientelbeziehungen zu ihren Herren gelöst hatten und eigene agrarpolitische Akzente setzten. Vári zeichnet die wechselvolle Geschichte des Ungarischen Landes-Wirtschaftsvereins nach. Er analysiert die Debatten der Aristokratie und Agrarintelligenz, in denen es nicht allein um Interessenpolitik, sondern auch um die grundsätzlichen Probleme einer sich rasch wandelnden Gesellschaft ging. Er zeigt, wie die alten Eliten selbst zum Träger einer konservativen Modernisierung wurden, aber auch klassenegoistische Interessenpolitik betrieben und zunehmend in einen weltfremden, radikalen Antiliberalismus verfielen. Er stellt die wichtigsten Akteure der agrarischen Diskurse und Organisationen vor und legt dar, wie sich ihre Ideologie mit ihren sozialen Positionen im Zuge wirtschaftlicher Wechsellagen veränderte. Er bettet diese Entwicklungen in die allgemeine Geschichte ein und zeigt die Bedeutung des ungarischen Falls für die mitteleuropäische Sozial- und Ideengeschichte auf.
Bände 1–16 der Reihe erschienen beim Berliner Wissenschaftsverlag