Die so genannte ‚Sächsische Weltchronik’ ist die erste Prosa-Weltchronik in deutscher Sprache. Abweichend von der in der Forschung üblichen Bezeichnung ist der Überlieferungszusammenhang keineswegs auf eine engere Region beschränkt, sondern er fand vielmehr im gesamten deutschen Sprachgebiet Verbreitung. Er wird in ganz unterschiedlicher Weise tradiert: allein oder in Kombination mit anderen Texten und ist ein wichtiger Träger der kollektiven Memoria des christlich-europäischen Kulturraums. Seit mehr als 150 Jahren hat man sich vor allem auf den engeren Text, die ‚so genannte Sächsische Weltchronik’ konzentriert, man hat nach dem ursprünglichen Verfasser gesucht, meinte ihn in Eike von Repgow gefunden zu haben, hat nach Entstehungsorten, zeitlicher Reihenfolge und inhaltlichen Verwandtschaften der Handschriften gefragt.
Die Autorin untersucht die ca. 60 Textzeugen des ‚Buchs der Welt’ aus dem 13. bis 19. Jahrhundert unter einem völlig neuen Blickwinkel, der sowohl der Vielfalt der Überlieferung als auch ihrer jeweiligen Gemeinsamkeiten Rechnung trägt. Sie weist nach, dass die Zusammenstellungen innerhalb eines Codex nicht zufällig, sondern Ausdruck einer besonderen Erinnerungskultur und nicht zuletzt textsortenrelevant sind. Das Textkorpus ist, obwohl es scheinbar nur den Textzusammenhang einer Weltchronikrealisation, der so genannten Sächsischen Weltchronik, des ‚Buchs der Welt’, repräsentiert, so vielseitig, dass sich an ihm viele der zentralen Fragen der Mittelalterforschung und der historischen Sprachforschung untersuchen lassen: der Wandel kollektiver Memoria, die Anwendung kommunikativer Textsortenkonzeptionen auf mittelalterliche und frühneuzeitliche Texte, das Verhältnis von Mündlichkeit und Schriftlichkeit, Volkssprache und Latein, Reim und Prosa sowie Probleme der mittelalterlichen/frühneuzeitlichen Lexik und Syntax.
Die Untersuchung leistet eine Neustrukturierung des Textbestandes des ‚Buchs der Welt’ nach textlinguistischen Kriterien auf der Grundlage eines integrativen textlinguistischen Modells. Das Ergebnis ist die textsortenspezifische Einordnung historiographischer Textexemplare des 13. bis 19. Jahrhunderts und die Beschreibung der Textsorte ‚Prosa-Universalchronik’.