Schulbücher bedürfen seit ihrer nachhaltigen „Verstaatlichung“, insbesondere seit der Neuordnung des Bildungswesens im Gefolge der Preußischen Reformen zum Eingang des 19. Jahrhunderts der expliziten staatlichen Genehmigung. Von hervorstechender Brisanz war (und ist) dies für das Schulfach Geschichte als primär politischem Fach, da eine Nation ihre Identität als eine gewordene vornehmlich über seine Vergangenheit definiert. Geschichtsdarstellung und -vermittlung im Schulbuch fungiert ergo zugleich als amtlich verordnete, quasi offizielle Biographie eines Volkes.

Aus heutiger Sicht machte die Revolution von 1848/49 für die Geschichte des deutschen Volkes wie für das demokratische Selbstverständnis der Bundesrepublik unwidersprochen und identitätsstiftend Epoche. Welche Bedeutung hingegen Schulbuchautoren und Aufsichtsbehörden in früheren Phasen deutscher Staatlichkeit diesem zentralen Ereignis beimaßen, ist von prägnantem Aufschluß für deren Sicht auf Gesellschaftsstruktur, Volkssouveränität, Modernisierungszwang, Nationalverständnis, im weiteren Sinne auch für Vorstellungen über ethische Erziehungsziele.

Die vorliegende Untersuchung zeigt Kontinuität und Wandel in den offiziösen Geschichtsbildern auf, die Schulgeschichtsbücher des Wilhelminischen Kaiserreiches, der Weimarer Republik und der nationalsozialistischen Diktatur ihren jeweils heranwachsenden Generationen von den Volkserhebungen 1848/49 vermittelten. Diese Studie will damit der Rekonstruktion von Wertvorstellungen historischer Gesellschaften und der Transparentmachung menschlicher Handlungsdispositionen in Umbruchsituationen dienen und einen Beitrag zur Erforschung der Kategorie „Geschichtsbewußtsein“ leisten.