Nicht die Religionen sind ein Problem für Europa, sondern
die Annahme, dass nur säkulare Gesellschaften demokratische Gesellschaften sein können.
Es ist ein europäischer Mythos, dass aus den Religionskriegen des
16. und 17. Jahrhunderts der säkulare Staat entstanden sei. Zunächst entstanden nämlich - als Folge der Religionskriege - absolutistische Nationalstaaten mit einer Neigung zu konfessioneller Territorialisierung - wie im Falle Frankreichs. Säkularisierung führt auch nicht notwendig zu Demokratisierung, wie das sowjetische Beispiel zeigt.
José Casanova warnt: „Gegen Immigranten gerichteter, fremdenfeindlicher Nativismus, konservative Verteidigung christlicher Kultur und Zivilisation, säkularistische antireligiöse Voreingenommenheit, liberal-feministische Kritik am muslimischen patriarchalischen Fundamentalismus und Angst vor islamistischen Terrornetzwerken werden überall in Europa willkürlich zu einem anti-muslimischen Diskurs verschmolzen. Das macht ein beiderseitiges Entgegenkommen, das für eine erfolgreiche Integration notwendig ist, - von Immigrantengruppen und von aufnehmenden Gesellschaften - praktisch unmöglich.“

José Casanova, der gegenwärtig international wohl bedeutendste
und bekannteste Religionssoziologe, lehrte von 1987–2007
Soziologie an der New School for Social Research. Seit Januar dieses Jahres lehrt er an der Georgetown University.