Als junger Heranwachsender wird Louis Meyer (1796–1869), Spross einer polnisch-jüdischen Kaufmannsfamilie, nach Berlin geschickt, um dort das Handels- und Bankgewerbe zu erlernen. Nach acht Jahren kommt er in das Königreich Polen zurück und lässt sich in Wloclawek, einer Provinzstadt an der Weichsel, nieder. Hier verfasst er im Laufe seines Lebens eine große Zahl von Texten – Lieder, Balladen, Briefe, Dramen, Sentenzen, Kurzgeschichten – in deutscher Sprache, die 1871 posthum von anonym bleibenden Freunden veröffentlicht wurden.

Meyers Werke zeugen von einer großen Affinität zur deutschen Sprache und Literatur, zu Bildung, Wissenschaft und bürgerlicher Kultur, die auch auf die Jahre in der preußischen Metropole zurückgeht. Ihr kulturhistorischer Wert besteht in der Dokumentation eines geistigen und religiösen ,musée sentimental’ eines polnischen Juden, der die Verteidigung jüdischer Traditionen mit der Bewunderung der europäischen Moderne verband. In der vorliegenden Neuausgabe findet mit wenigen Ausnahmen die gesamte, heute kaum noch zugängliche Originalausgabe Aufnahme.

François Guesnet, Dozent für jüdische Geschichte am University College London, erläutert in einer Einführung biographische und kulturelle Entstehungskontexte der Hinterlassenen deutschen Schriften von Louis Meyer.