Ausgehend von der Grundthese, daß „Faust II“ ein weiterer Ort ist, wo Goethe eine „Unterhaltung“ mit dem „eigenen Ich früherer Jahre“ führt, beginnt die vorliegende Studie mit dem Versuch, besagtes Ich zu erschließen: Zuerst erfolgt eine Darstellung der Poetik des jungen Goethe und deren Bedeutung im Kontext des Aufgangs der abendländischen Subjektivität; anschließend wird die Ambivalenz dieses Ansatzes durch eine Analyse von „Dichtung und Wahrheit“ betont; und dann werden die ehrgeizigen Ziele zur Sprache gebracht, die der junge Dichter an seine künstlerische Tätigkeit knüpfte, weshalb eine Beschäftigung mit Goethes Genie- Religion vorgenommen wird.
In den letzten Kapiteln wird versucht, einige zentrale Textpartien aus „Faust II“ im Zusammenhang mit Goethes Leben und Genie-Denken zu lesen. Es wird gezeigt, daß jene zeitliche Verschiebung Züge der Selbstkritik mit sich bringt, die das Verhältnis des Achtzigjährigen zum „dichterischen Ebenbild“ prägt. Diese Selbstkritik gilt just dem Fundament, auf dem Goethe sein „ganzes Dasein“ einst aufgebaut hatte: der vermeintlich erlösenden Kraft des eigenen Schöpfertums. Nach diesem Befund stellt also der alte „Faust“-Dichter die Panacea seiner Jugend in Frage, und um dies zu belegen, wird der Protagonist auf der Folie von Prometheus und Wilhelm Meister diskutiert.