Die Rekonstruktion der „Erinnerungen an Zwangsarbeit im Zweiten Weltkrieg“ versteht sich als ein innovativer Beitrag zu einer Oral History der Zeitgeschichte. Regina Plaßwilm führte über 50 biografisch-narrative Interviews mit Zeitzeugen in Belarus, Russland, Frankreich und den Niederlanden. In ihrer Studie vertritt sie die These, dass die Erinnerungen der überlebenden Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter im doppelten Sinne aufschlussreich und wichtig sind: Sie korrigieren offizielle Darstellungen durch Einbeziehung der Opferperspektive und ermöglichen darüber hinaus Rückschlüsse auf die gesellschaftlichen Konventionen und Tabus der öffentlichen Erinnerung, die sich bis in den Diskurs der Opfer eingeschlichen haben. Die Autorin zeigt unterschiedliche Wege der Verarbeitung der Zwangsarbeit auf individueller und kollektiver Ebene auf. Sie macht deutlich, dass die nationalen Erinnerungsdiskurse weniger von ihren Erinnerungen als von staatlichen Interessen geprägt wurden, die Erinnerung an und die Verarbeitung von Zwangsarbeit aber von individuellen biografischen Verläufen und Faktoren der Vor- und Nachkriegszeit beeinflusst sind. Die transnationale Perspektive der Forschungsarbeit zeigt deutlich, dass das Phänomen der öffentlichen Marginalisierung von den Zwangsarbeitenden in Ost- und Westeuropa gleichermaßen beschrieben wurde.