Wie schon seine Teilung wurde auch die Wiedervereinigung Deutschlands besonders aufmerksam in Korea verfolgt – einem Land, das bis auf den heutigen Tag selbst das Schicksal einer divided nation erleidet. Young-Ae Chon, eine koreanische Germanistin, konzentriert sich im vorliegenden Band auf die Lyrik. Anhand von Gedichten aus der Wendezeit arbeitet sie heraus, wie die Lyrik mit ihrem kleinen Umfang doch eine Serie von Zeitbildern bietet, wie sie als ein Zugang zu Menschen mitten im geschichtlichen Wandel dient, wie sie trotz ihres Anscheins der Subjektivität in hohem Maße im Dienst der Zeitzeugenschaft und damit auch der Erinnerungsarbeit stehen kann, indem sie dank ihrer konzentrierten Sprache eine ganz spezifische Nachhaltigkeit erreicht.

Bei der Auswahl der untersuchten Gedichte standen zunächst Sammlungen im Zentrum, die noch im Sog der historischen Geschehnisse, nämlich im Jahr des Mauerbaus und in dem der Wiedervereinigung, konzipiert wurden. Anschließend wird der Fokus auf einzelne Dichter gerichtet: Reiner Kunze, Wolf Biermann, Volker Braun, Günter Kunert, Heinz Czechowski, Uwe Kolbe, Durs Grünbein und andere. Im abschließenden Kapitel wird – ebenfalls anhand der Lyrik – die Lage im geteilten Korea betrachtet.