Das klassische deutsche Drama von Lessing, Goethe, Schiller und Kleist bis zu Büchner ist vor allem dank dem Theater heute noch eine lebendige literarische Tradition. Sie steht ebenbürtig neben den großen europäischen Vorgängern: des klassischen Griechenlands, des elisabethanischen Englands (Shakespeare) und des französischen 17. Jahrhunderts. Immer noch lässt sie sich charakterisieren durch den Begriff der Humanität, der auf eine sich fortschreitend vervollkommnende und freiheitlich-friedlich vereinte Menschheit zielt. Helmut Schneider versucht in textnahen Einzelstudien diesen Humanitätsgehalt der Dramen historisch zu rekonstruieren. Er verfolgt, wie die aus dem Geist der Aufklärung stammende Idee einer symbolischen Menschheitsfamilie sich dramaturgisch in der Auseinandersetzung mit der überkommenen Ordnung patriarchaler Genealogie realisiert: universale Brüderlichkeit steht gegen patriarchale Subordination, republikanischer Wettstreit gegen dynastische Nachfolge, Erziehung gegen Herkunft, Adoption gegen Geburt. Verhandelt wird Humanität als Widerstreit zwischen den Mächten unserer Herkunft und unserer Zukunftshoffnung.