Im 19. Jahrhundert lebten zumindest 13 größere Sprachgruppen im Vielvölkerstaat der Habsburger. Diese Vielsprachigkeit der Gesamtregion verdichtete sich auch aufgrund modernisierungsbedingter Migrationen vor allem im Milieu, in dem unterschiedliche verbale und nonverbale kulturelle Kommunikationsräume sich konkurrenzierten und überlappten. Zwei- oder Mehrsprachigkeit – u.a. in der literarischen Produktion – war dabei vor allem nicht den Vertretern der dominanten Sprachen eigen, die sich häufig gegen Mehrsprachigkeit politisch wehrten, sondern, wie auch in der Gegenwart, für Personen und Gruppen typisch, welche die Grenzsituation der Peripherie repräsentierten und so zu „Übersetzern“ avancierten. Der spezifischen Hybridität des zentraleuropäischen Raums, ihrer Herkunft und ihren Auswirkungen bis ins 20. Jahrhundert geht der vorliegende Band nach: Der zunehmende Einfluss von Nationalismen, welche sich einsprachig orientierten, hat nämlich zugleich eine zunehmende Blindheit für diese Tradition einer Zwei- und Mehrsprachigkeit erzeugt. Auf diese Blindheit wird hier bewusst nicht mit dem Versuch einer großen, homogenen Überblicksdarstellung geantwortet, sondern mit einer Fülle von Fallbeispielen, welche bereits früher im Praesens Verlag erschienene Studien fortsetzen und ergänzen.