Auf der Insel Marmara (dem antiken Prokonnesos), wurden im Bereich der Schutthalden antiker Marmorbrüche neben anderen Baugliedern 57 ionische Säulenkapitelle gefunden. In ihren verschiedenen Fertigungsstadien stellen sie ein einzigartiges Ensemble antiker Kapitellproduktion dar, das von der römischen Kaiserzeit bis in die Theodosianische Epoche reicht. Durch die vorliegende Untersuchung kann nachgewiesen werden, dass man die ionischen Kapitelle in römischer Zeit als halbfertige Produkte von Prokonessos ausführte, um die Verzierungen am Bau selbst auszuarbeiten. In der Spätantike wurden die Kapitelle dagegen in den Werkstätten der Marmorbrüche auf der Insel vollständig fertig gestellt. In dieser Zeit, in der in den Steinbrüchen hohe Produktivität herrschte und die Ausfuhr beträchtliche Zuwachsraten aufwies, wurde ein für Prokonessos charakteristischer ionischer Säulenkapitelltyp entwickelt. Mehrere an verschiedenen Stellen der Insel gelegenen Werkstätten produzierten diesen Typus in leichten Variationen der handwerklichen Ausführung. Die bei der Bearbeitung der Blöcke verwendete Technik basiert auf einer seit der römischen Zeit praktizierten handwerklichen Tradition, die nun um einige rationalisierende und damit produktionsbeschleunigende Methoden erweitert wurde. Die Studie liefert wesentliche neue Erkenntnisse zur antiken und spätantiken Bauornamentik, aber auch zu den Produktionsprozessen ionischer Kapitelle und zur antiken Arbeitswelt.