Ein auf den ersten Blick unscheinbares, teilweise durch Brandspuren oder fehlende Seiten stark beschädigtes Manuskript im Archiv des „Nationalen Instituts für Handschriften“ in Baku – es berichtet angeblich vom Erdbeben in der Stadt Gandscha im 12. Jahrhundert – entpuppt sich als
Notizbuch zum berühmten aserbaidschanischen Nationalepos „Das Buch des Dede Korkut“.

Neben der Geschichte um Schah Ismail I. (1487–1524) und seinem Doppelgänger stellt das Hauptmotiv des Romans ein von Bajindir Chan, dem Fürst der Fürsten der alten Oghusengesellschaft, geleitetes Ermittlungsverfahren in einem schwerwiegenden Spionagefall dar während dessen der Grund für die Feindschaft zwischen Innen- und Außen-Oghusen klar wird. Eine eigenartige und gleichzeitig spannende Verflechtung zweier Texte, so, als ob sich der eine hinter dem anderen verstecken wollte. Warum hat sein Verfasser das getan? Warum hat er seine literarischen Skizzen nicht vernichtet, nachdem das Epos vollendet war?

Obwohl der Roman keinen Anfang und kein Ende hat, spannt sich die Handlung wie ein Seil durch das Buch. Die Protagonisten werden zu Seiltänzern und geben während des Tanzes ungewollt ihren wahren Charakter preis. Dede Korkut beobachtet das Spiel und bemerkt jeden falschen Schritt. Alles prägt sich in seinem Gedächtnis, in seinem Herzen ein. Er schreibt es auf und schafft damit das „Unvollständige Manuskript“, das von jener Unvollständigkeit gekennzeichnet ist, die heute in unserer Vorstellung Ganzheit und Vollständigkeit entstehen lässt.