Wie lässt sich Verschwinden erzählen? Die argentinische Literatur der Gegenwart bietet auf diese Frage vielfältige Antwortmöglichkeiten. In der Auseinandersetzung mit dem Verschwinden tausender Menschen während der letzten argentinischen Militärdiktatur (1976–1983) zeigt sich die Kernproblematik des Erinnerns: die Präsenz der Abwesenheit. Erinnern ist ein permanenter Kommunikationsprozess über Vergangenes, durch den sich das kulturelle Selbstverständnis einer Gesellschaft offenbart. Dieser umkämpfte Raum der Erinnerung wird durch eine Vielzahl von Akteuren aus unterschiedlichen Bereichen mitgestaltet, wie etwa Politik, Kultur, Wissenschaft oder Menschenrechtsorganisationen.
Die Studie Poetiken des Verschwindens untersucht die aktuelle Auseinandersetzung mit dem Phänomen des Verschwindens und stellt die Frage nach seiner Darstellbarkeit. Anhand ausgewählter zeitgenössischer Romane wird die Herausforderung einer Erinnerung des Verschwindens im Spannungsfeld zwischen Sichtbarkeit und Sagbarkeit aufgezeigt. So entstehen neue Einsichten über die Formen der Verknüpfung von Erinnerung, Politik und Literatur.