„Man sah vom Scheinwerfer beleuchtet nur zwei blasse schmale Hände, die für sich allein zu leben schienen, die ein Spiel aufführten, darin Verrücktheit und Andacht, geheimnisvolle Laster und schmerzliche Sehnsucht sich atemberaubend mengten.“ Felix Saltens begeisterte Erinnerungen an einen Tanz von Tilly Losch und Hedy Pfundmayr im Jahr 1927 dokumentieren ein bisher kaum beachtetes Kapitel der österreichischen Tanzgeschichte: Zwei akklamierte Ballerinen der Wiener Staatsoper wagten den Schritt zum Ausdruckstanz. Sie ließen nicht nur Tüllröckchen und Spitzenschuhe hinter sich, sondern verzichteten sogar auf jede Bewegung der Beine.
Die interdisziplinäre Publikation beleuchtet diese Konzentration auf Hände als vielfältiges Netz von Verweisen und Anknüpfungspunkten in der Wiener Kunst-, Tanz- und Lesbenszene der 1920er Jahre. In der Porträtmalerei und der Fotografie der Jahrhundertwende hatten Hände als Ausdrucksträger eine wesentliche Rolle gespielt und gewannen nun als Bildmotiv ein außerordentliches Eigenleben. Wiens wichtigste Fotostudios der Zeit von Trude Fleischmann bis Rudolf Koppitz setzten Hände effektvoll in Szene. Zeitschriften widmeten ihnen Artikelserien, ganze Bücher wurden mit Bildern zur Handlesekunst illustriert. In Ausdruckstanz und Eurythmie nutzte man Hände zu neuen Artikulationsweisen und in der erotischen Literatur der Lesbenszene dienten sie als Spiegel des Begehrens.