Die sehr wechselvolle Geschichte der von dem berühmten Halberstädter Orgelbauer David Beck 1584 als Repräsentationsinstrument für die Helmstedter St. Stephani-Kirche erbaute Orgel wird hier erstmals umfassend und im kulturhistorischen Kontext mit der Kirche als Universitätskirche und den beteiligten Personen, Institutionen und wechselnden sozio-ökonomischen Bedingungen dargestellt. Sie zeigt paradigmatisch die Abhängigkeit der Gestaltung, Nutzung und Erhaltung dieses häufig als Gegenstück zum Altar konzipierten Instruments von den äußeren Bedingungen und seine sich wandelnde kulturelle Wertschätzung. Auf die Blütephase gegen Ende des 16. Jahrhunderts erfolgt ein erster Ausbau des Tonumfangs als Anpassung an die erweiterte Musikpraxis. Der Dreißigjährige Krieg bedingt eine jahrzehntelange
Stagnation in der Pflege des Instruments, und erst ab den 1660er Jahren kommt es zu substanzerhaltenden Eingriffen und weiteren
Anpassungen an den sich wandelnden Musikgeschmack. Eine wichtige Phase ist die Amtszeit des aus Helmstedt gebürtigen Organisten Johann
Justus Kahle, der nicht nur die Kirchenmusik in St. Stephani mit eigenen Werken bereichert, sondern sich auch selber um die Pflege und Erhaltung
des Instruments bemüht. Die folgenden Jahre sind durch die Beteiligung problematischer Persönlichkeiten als Organisten und Orgelbauer gekennzeichnet, die gleichwohl zum Ausbau des Instruments als einer hochbarocken, gut ausgestatteten Orgel führen. Die sich anschließende Pflege durch die Orgelbauer- und Organistenfamilie Boden bringt keine wesentlichen neuen Impulse zur Umgestaltung des Instruments, sondern leitet in eine Zeit der Stagnation und des allmählichen Verfalls über, wie er sich mit der Entwicklung der evangelischen Kirchenmusik in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts allerorten zeigt. Mit dem völligen Neubau des Instruments durch die Firma von Wilhelm Sauer ab 1873 bleiben zwar Reste des Gehäuses erhalten, aber die historisch bedeutsame Klangstruktur geht völlig verloren. Die reduzierten ökonomischen Möglichkeiten und der massive Stilwechsel im Orgelbau nach den beiden Weltkriegen führt nach weiteren, qualitativ unbefriedigenden Umbauten dann erst 1973 bis 1975 zu einer an historische Instrumente angelehnten und um die Erfordernisse der Darstellung auch romantischer Orgelmusik erweiterten Konzeption eines völlig neuen Instruments durch die Berliner Werkstatt von Karl Schuke.
Eine Zusammenstellung der mit dem Instrument befassten Personen wie Orgelbauer, Organisten und Kalkanten legt das komplizierte Beziehungsgeflecht zwischen Konsistorium, Bürgerschaft bzw. Universitätsgemeinde mit deren eigenen Bedingungen der Kirchennutzung frei, in dem die Orgel über die Jahrhunderte gleichwohl ihren Platz behauptet hat. Durch verschiedene technische Verbesserungen ergänzt, tut das eindrucksvolle Instrument als Denkmal historischer Orgelkunst weiterhin seinen Dienst.