Als Mundschenk mit einer Weinkanne in der Hand – so verewigte sich Lucas Cranach der Jüngere um 1565 selbst auf einem Abendmahlbild. Gleichzeitig ist dies das einzige Bild, das den Künstler aus Wittenberg zeigt. Im Gegensatz zu seinem berühmten Vater ist er über Jahrhunderte in Vergessenheit geraten. Anlässlich seines 500. Geburtstags widmet sich die Ausstellung »Lucas Cranach der Jüngere – Entdeckung eines Meisters« in der Lutherstadt Wittenberg dem verkannten Maler. Der Hirmer Verlag präsentiert den gleichnamigen und prächtig illustrierten Katalog zur Schau.

Maler der Reformation
Zwei Menschengruppen bearbeiten einen Weinberg. Auf der linken Seite herrscht das Chaos: Die Weinbauern verbrennen die Holzpfähle, die die Reben stützen, zerstören die Zäune und werfen Steine in den Brunnen. Im Gegensatz dazu kümmert sich auf der rechten Seite eine kleine Gruppe von Arbeitern liebevoll um den Weinberg: Sie setzt den Brunnen instand, liest Steine auf, schneidet die Reben und düngt die Pflanzen. Das Gemälde »Weinberg des Herrn« stammt von Lucas Cranach dem Jüngeren aus dem Jahr 1582, einer Zeit, in der sich die junge reformatorische Kirche gegen die katholische zu behaupten versuchte.
Bei näherem Hinsehen wird die Polemik in dem Gemälde deutlich. Bei der Gruppe, die den Weinberg zerstört, handelt es sich um Geistliche der katholischen Kirche – zu erkennen an den prächtigen Gewändern. In der rechten Bildhälfte, in der der Weinberg gedeiht, sind die bekannten Wittenberger Reformatoren zu sehen – allen voran Martin Luther und Philipp Melanchthon.

Lucas Cranach der Jüngere – ein verkannter Künstler
Lucas Cranach der Jüngere (1515 bis 1586) lebte wie Luther und Melanchthon zur Zeit der Reformation in Wittenberg. Zunächst betrieb er gemeinsam mit seinem Vater die bedeutende Cranach-Werkstatt. Mit den Porträts der Reformatoren und zahlreichen Darstellungen der neuen Glaubenslehre wurden Vater und Sohn zu Chronisten der Reformation. Sie begleiteten die Entstehung der protestantischen Konfession und sorgten mit ihren Bildern und Drucken für deren Verbreitung.
Doch Lucas Cranach der Jüngere stand lange Zeit im Schatten seines gleichnamigen Vaters. Dieser war der Gründer der Cranach-Werkstatt, Hofmaler der sächsischen Kurfürsten, ein erfolgreicher Unternehmer und Freund Martin Luthers. Zwar übernahm sein Sohn im Alter von 35 Jahren die Werkstatt und führte sie erfolgreich weiter. Dessen Werke gerieten jedoch bald in Vergessenheit. Das lag auch am Konzept der Cranach-Werkstatt: Sie wollte mit ihrem besonderen Stil einen Wiedererkennungswert und damit eine eigene Marke schaffen. Die Leistung des einzelnen Künstlers stand dabei nicht im Mittelpunkt.

Der Katalog »Lucas Cranach der Jüngere. Entdeckung eines Meisters«
Erst ein halbes Jahrtausend später widmet sich eine Ausstellung dem Leben und Schaffen des Sohnes: Die Schau in Wittenberg und der gleichnamige Katalog »Lucas Cranach der Jüngere – Entdeckung eines Meisters«. An mehr als 200 Gemälden, Zeichnungen, Holzschnitten und Archivalien wird deutlich, was für ein vielseitiger und talentierter Künstler Lucas Cranach der Jüngere war. Unter seinen Werken befinden sich Porträts der Reformatoren, Auftragsarbeiten von Fürsten und reichen Bürgern, reformatorische Altäre, Prachtbibeln und Drucke. Einige dieser Bilder lassen sich dank moderner Technik erst heute eindeutig Lucas Cranach dem Jüngeren zuordnen.
Auf mehr als 400 Seiten stellt der monografisch angelegte Band das Werk Cranachs in den Mittelpunkt. Rund 230 zum Teil großformatige Abbildungen zeigen einen vielseitigen Künstler und einen Maler, der Maßstäbe für das höfische Porträt setzte. Eine Rarität sind die 13 Porträtstudien von Angehörigen des sächsischen Herrscherhauses, die sich heute im Besitz des Museums von Reims befinden. Sie dienten als Vorlage für Cranachs Gemälde und beweisen seine malerischen Qualitäten. Zahlreiche Essays namhafter Kunsthistoriker und biografische Eckdaten runden den Katalog um den lange verkannten Maler ab.