Am Beispiel der Kurpfalz untersucht Ellen Widder das spätmittelalterliche Kanzleiwesen. Hierbei widerlegt sie zahlreiche ältere Ansichten. Stellte man sich früher die spätmittelalterlichen Kanzleien in Deutschland als institutionalisierte, fest gefügte und hierarchisch strukturierte, ortsfeste Behörden vor, so zeigt Widder mit ihrem neuen, multiperspektivischen Ansatz, dass dies nicht zutrifft. Über lange Zeit hinweg bediente man sich der vor Ort verfügbaren und daher vielfach wechselnden öffentlichen Notare. Erst allmählich wurden die Kanzleiaufgaben an universitär ausgebildete Juristen übertragen. Starke Impulse für eine Entwicklung des Kanzleiwesens in der Pfalzgrafschaft waren der Aufstieg der Pfalzgrafen zur Kurwürde (1356), das Königtum Ruprechts (1400-1410) und die Herrschaft Friedrichs des Siegreichen (1451-1476).