Christoph Wenzels Gedichte sind eine Art von Augenschließen, ein Abgesang auf eine Landschaft, die verschwunden ist. Mit der Schärfentiefe einer Kamera und dem feinen Ohr für die Ober- und Zwischentöne der Sprache durchmisst er den Erinnerungsraum seiner westfälischen Herkunft, er führt uns in das Herz des Ruhrgebiets und in die Geisterdörfer des Rheinischen Braunkohlereviers, dessen Wüstungen von maximal-invasiver Energiegewinnung zeugen. Seine atmosphärisch dichten Miniaturen nehmen die Sedimente des Alltags in den Blick, und sie fragen nach der sozialen Verortung von Identitäten.
In einem der sechs Gedichtzyklen begibt sich Wenzel auf die Fährten von Wolfsrudeln in der verstrahlten Zone um Tschernobyl, doch ist es mehr noch das Sprachmaterial des Dichters, das sich stets als radioaktiv erweist. Er macht die Wortwörtlichkeit der Metapher und die Bildlichkeit des Buchstäblichen bewusst. Christoph Wenzel hat darüber zu einer ganz eigenständigen, unverwechselbaren Form gefunden.
Für seinen Zyklus das schwarzbuch die farbfotos, »der bei kluger Abwägung aller poetischen Mittel – Metaphorik, Klang, Dialekt – zu einer atmosphärisch dichten Komposition führt, für im Grundton elegische Miniaturen, denen es gelingt, eine Industrielandschaft, eine Zeit auf berührende Weise im Gedicht zu bewahren«, wurde Christoph Wenzel beim Lyrikpreis Meran mit dem Alfred-Gruber-Preis 2012 ausgezeichnet.