,Literarische Dekadenz. Denkfiguren und poetische Konstellationen’ wirft ein neues Licht auf einen vertrackten ‚Bergriffsdrachen‘ im ‚Rubrikenchaos‘ um 1900. Dekadenz wird als dynamisches und komplexes Phänomen erhellt, das sich nicht nur als vages epochales Konstrukt und Ensemble von Motiven, sondern insbesondere in vielschichtigen Diskursen, universellen Denkfiguren und poetischen Konstellationen ausdrückt. Das ‚schwere Erbe‘ der décadence-/Dekadenz-Forschung wird begrifflich-systematisch angetreten und anhand der zentralen Diskursivitätsbegründer (Baudelaire, Bourget, Bahr, Nietzsche) illuminiert. Nietzsches ambivalente Dekadenzkonzeptionen zwischen kulturpessimistischem Abstieg und ästhetischem Aufstieg erweisen sich für den deutschsprachigen ‚Höhenkamm‘ als wesentlich: Erstmalig werden aus Nietzsches Werk drei doppelwertige Denkfiguren der Dekadenz generiert und an drei Autorenœuvres in ihrer Ambivalenz zwischen Gesundheit vs. Krankheit, Ende vs. (Neu)Beginn und Ganzheit vs. Fragmentarik ausgestaltet. Die Studie verfolgt Kontinuitätslinien und Transformationen literarischer Dekadenz in ausgewählten narrativen Texten um 1900. Ihre Originalität konstituiert sich aus den universalen Denkfiguren und spezifischen poetischen Konstellationen – von Thomas Manns ‚spätrealistischer Dekadenz‘ zu Hofmannsthals ‚ästhetizistischer Dekadenz‘ hin zu Rilkes ‚modernistischer Dekadenz‘ – welche graduell eine poetische ‚Umwertung aller Werte‘ vollführen und Dekadenz als modernistisches Phänomen und Figur des Neuen inaugurieren.