Zeitgenössische Anwendungen (oder eher Fehlanwendungen) des islamischen Rechts sind oft reduktionistisch statt holistisch, literalistisch statt moralisch, ein-dimensional statt multidimensional, binär statt mehrdeutig, dekonstruktivistisch statt rekonstruktivistisch und kausal statt teleologisch. Darüber hinaus führen übertriebene Forderungen nach „rationaler Gewissheit“ und einem „Konsens der Unfehlbaren“ zu einem Mangel an Spiritualität und Toleranz gegenüber Andersdenkenden und tragen zu gewalttätigen Ideologien, unterdrückten Freiheiten und autoritäreren politischen Regimen bei. Die Theorie der maqa?id al-šari?a hebt die Diskussion über juristische Angelegenheiten auf eine höhere philosophische Ebene und ist dadurch in der Lage, historisch erwachsene Differenzen zwischen den islamischen Rechtsschulen zu überwinden und zu einer dringend und überall benötigten Kultur der Versöhnung und friedlichen Koexistenz beizutragen. Letztlich sollte die Verwirklichung der maqa?id das Kernziel aller linguistischen und rationalen igtihad Methoden sein, ungeachtet ihrer unterschiedlichen Namen und Ansätze. Dementsprechend sollte die Gültigkeit eines jeden igtihad davon abhängen, in wie weit er zur Verwirklichung der islamischen Rechtszwecke, der maqa?id al-šari?a führt.