ABSEITS DER BÜRGERLICHEN KUNSTTEMPEL

Frei wollten und wollen sie sein – frei in der Auswahl ihrer Themen, ihrer künstlerischen Ausdrucksmittel, in der Wahl ihrer Spielorte: Die Freien Theater, Theatergruppen und Solokünstler haben seit den 1960er Jahren die Theaterlandschaft in Deutschland tiefgreifend geprägt. Die Künstlerinnen und Künstler der freien Szene in München spielten dabei eine herausragende Rolle. Sie haben Zeitereignisse auf die Bühne genommen, eine neue Ästhetik geschaffen, mit anderen Künsten zusammengearbeitet. In Kellern, Lagerhallen und trockengelegten Schwimmbädern wurden alte Stücke neu interpretiert, Workshops veranstaltet und politische Diskurse geführt, wie es – so die Wette – an keinem staatlichen oder städtischen Theater möglich gewesen wäre. Man wollte sich bewusst von den bürgerlichen Kunsttempeln absetzen.


Vom ersten Kellertheater, dem 1959 gegründeten „Theater 44“ von Horst A. Reichel, über das „antiteater“ von Rainer Werner Fassbinder oder das „proT“ von Alexej Sagerer bis zu den heutigen Performances mit Musik, Video und Tanz: In diesem Band wird die einzigartige Entwicklung der Münchener Theaterszene nachvollzogen.



MÜNCHEN UND DIE WELT

Im Jahr 1972 wurde die Welt durch das Attentat während der Olympischen Spiele in München erschüttert. Gerade in diesem Jahr wollte sich die Stadt weltoffen präsentieren und hatte in der eigens errichteten „Spielstraße“ im Olympiapark Theaterkünstler aus aller Welt eingeladen. Fünf Jahre später bekam die Stadt auf Initiative von Thomas Petz ein Theaterfestival, später kamen George Tabori, Jerzy Grotowski und andere, die mit ihrer experimentierfreudigen Arbeitsweise die freie darstellende Kunst in München und weit darüber hinaus beeinflusst haben.


ZWISCHEN EXISTENZNOT UND NEUEN AUSDRUCKSFORMEN

Der Band fragt aber auch: Wie frei ist die Kunst wirklich? Gerade die freien Theatergruppen sind nicht erst seit heute von Geldmangel und fehlgeleiteter Förderpolitik bedroht. Und dennoch: In den letzten fünfzig Jahren sind immer wieder neue künstlerische Ausdrucksformen entstanden, die sich gegenseitig befruchten und vom Aufbruch künden. Diesen wird in dem reich bebilderten Band nachgegangen, der in mehreren Essays und Interviews Kulturschaffende, Journalist:innen sowie Künstlerinnen und Künstler zu Wort kommen lässt.


Der Band begleitet die gleichnamige Ausstellung, die vom 4. Mai bis 31. Juli 2022 im Deutschen Theatermuseum in München  zu sehen ist.