Die heutige Vorstellung der Zweiten Sophistik ist vor allem geprägt von der rhetorischen Tätigkeit gebildeter Griechen in der römischen Kaiserzeit und der Vorbildfunktion des klassischen Griechenlands. Was aber geschieht, wenn der Text, statt nur vorgetragen zu werden, als Lektüre vorliegt? Wie ändern sich dann die Möglichkeiten der Rezeption?


Anhand ausgewählter Schriften, die Dion Chrysostomos, Aelius Aristides und Lukian von Samosata zugeschrieben werden, zeigt sich, dass die Anspielungen auf das klassische Erbe im Falle rhetorischer Texte insbesondere als Angebot an ein tatsächlich lesendes Publikum zu verstehen sind, das sich durch die Beschäftigung mit den Texten der eigenen elitären Stellung im Bildungsdiskurs vergewissern kann. Dafür spielen die Werke mit den Sprecheridentitäten, dem gesellschaftlichen Kontext und vor allem mit der literarischen Vergangenheit. Durch komische, ironische oder verfremdende Effekte sieht sich die Leserschaft herausgefordert, immer wieder die eigene Bildung unter Beweis zu stellen. Das klassische Griechenland ist dabei nicht nur Vorbild, vielmehr werden die Klassiker auch für die eigene Gegenwart produktiv gemacht.