"Radikal sein" war und ist Selbstdefinition und Ausdruck politischer Haltung. Gleichzeitig dient/e der Radikalitätsbegriff als Projektionsfläche für Normierungsprozesse und Ausschlussmechanismen sowie politische, soziale und religiöse Kämpfe. Der OeZG-Band 1/2024 widmet sich diesen Selbst- und Fremdzuschreibungen der Radikalität in Arbeiter*innen- und Frauen*bewegungen vom 19. bis zum 21. Jahrhundert. Die Beiträge reflektieren Radikalitätsbegriffe aus intersektionaler Perspektive und fokussieren auf deren zeitliche, räumliche nud soziale Verortung. Unter den thematisierten Akteur*innen sind argentinische Anarchist*innen in den 1890ern, Aktivist*innen der "Red Power Movement" der 1960er und 1970er Jahre oder feministische Theoretiker*innen bis in die Gegenwart zu finden. Interviews mit zwei Klima-Aktivistinnen führen den Radikalitäts-Diskurs in die Erregungszustände der Gegenwart. Die Grenzen zwischen dem, was für die Akteur*innen als radikal oder konservativ, als modern oder traditionell, als progressiv oder reaktionär galt oder gilt, zogen/ziehen sie - manachmal starr, manchmal beweglich - an unterschiedlichen Stellen. Die Frage "Was ist radikal?" bleibt deshalb eine offene.