Die Oder erscheint sie mir als Abbild der Menschenseele.
Hans Hätzel, der mir die Miniaturen als schmückendes Beiwerk zur Verfügung gestellt hat, ist in Frankfurt (Oder) geboren. Er ist ein Vollblutmaler, hat einen wachen Blick auf das Zeitgeschehen und ist nicht bereit, sich dem gängigen Markt- und Modediktat zu unterwerfen. Eine Besonderheit seiner Person: Er hält bei seinen Entdeckungsreisen in die Menschennatur auf seinen Knien eine Plastiktüte. Sie ist Tarnung und Reservoir. Hätzels Miniaturen sind für mich der ausschlaggebende Anlass, dieses Büchlein vorzulegen.
Die Gedichte selbst entstanden vor allem in den letzten Jahren. Als ich vor einem halben Jahrzehnt nach Frankfurt gezogen war, überraschten mich an beinahe jeder Ecke, in jedem Winkel, kleine und große Skulpturen, Wandbilder, Mosaike, Brunnen, Denkmäler, Artefakte und Collagen, die den Stadtraum bevölkern Ich habe sie im Sonnenlicht flimmern sehen, diffus im Schneegestöber stehen, glänzend im Regen und geheimnisvoll bewegt im Mondschein. Einige riefen mich an, sprachen mit mir, flüsterten mir zu – ein tolles Völkchen!
Neben dem Ungefähren, was zum Dichten bringt und zwingt, erweckten auch diese Gebilde die Absicht, Gedichte zu schreiben. Vorgesagt wurde mir dann vom Strom, vom Odertal zwischen Lossow und Lebus, aus dem Glanz der Flusstäler, aus den Lichtspielen der Auenwälder, vor den Silhouetten abgestorbener Baumriesen der Uferwiesen.
Ich weiß, wie oft es vergeblich, vielleicht sogar anmaßend ist, Stimmungen im Gedicht erlebbar werden zu lassen. Aber sollte ich meine Worte verschweigen, weil sie nicht jedem Vergleich standhalten können? Man wird sehr schnell bemerken, dass Spannungen zwischen Bild und Wortbedeutung gewollt sind und vielleicht zu jeweils eigenen Verknüpfungen anregen.