Zur Einführung ein Beispiel: In den 40er Jahren wurden im Auswärtigen Amt des Deutschen Reichs Pläne für ein "Deutsches Indien in Afrika" erstellt. Eine Mittelafrikakolonie sollte entstehen, die aus den vier früheren Kolonien des Reichs in Afrika sowie dem Zwischenstück des belgischen Kongos bestanden hätte. In dieser Kolonie hätte es eine Politik strikter Rassentrennung mit einem Verbot geschlechtlicher Beziehungen zwischen "Schwarzen" und "Weißen" gegeben. Nach 1945 arbeiteten Personen, die diese Pläne erstellt hatten, weiter im Auswärtigen Amt, oft in führenden Positionen. Dort waren sie - gemäß offizieller Außenpolitik - auf eine Politik des Antikolonialismus und Antirassismus festgelegt. Pläne für Mittelafrikakolonien erstellten sie nicht mehr; stattdessen waren sie - wie für Beamte typisch - pflichtbewusste "Umsetzer" offizieller Politik. Nichtsdestotrotz lassen sich Nachwirkungen der früher verfolgten Politik feststellen, die u.a. in einer Begünstigung des südafrikanischen Apartheidregimes zum Ausdruck kam. Das betraf auch den sensiblen Bereich der Rüstungsexporte.

Dieses Beispiel verweist auf das Anliegen dieses Projektes: Ausgangspunkt ist das Phänomen, dass die junge Bundesrepublik durch eine Elitenkontinuität geprägt war. "Oben" in wichtigen Institutionen und Organisationen saßen Männer (keine Frauen), die bereits im NS-System "oben" gesessen hatten (in den zweiten, dritten und vierten Reihen der Entscheidungsträger). Die Frage, was sich hieraus für die Politik gegenüber der Dritten Welt ergeben hat, wird analysiert, indem die Beziehungen der Bundesrepublik mit den drei Ländern Iran, China/Taiwan und Südafrika aufgearbeitet wurden. Gezeigt wird, dass es zwar einen Bruch mit dem imperialen Größenwahn, dem Nationalismus und Rassismus des NS-Systems gegeben hat, der v.a. in Politikdeklarationen Ausdruck fand. Gleichzeitig gab es jedoch unter der Hand auch Nachwirkungen, in denen immer wieder Anklänge an die Vergangenheit festzustellen waren.