Märtyrer sind faszinierend und abschreckend zugleich. Schon in frühchristlicher Zeit, als die ersten Märtyrer ihren Glauben mit dem Tod bezeugten, waren sie ambivalente Gestalten. Ihr Verhalten rief in den Gemeinden Unsicherheit hervor. Dennoch wurden sie zu Orientierungspunkten und Symbolen einer überregionalen christlichen Eintracht. Wie konnten die Ausnahmegestalten zu Rollenmodellen christlichen Handelns werden? Wie konnten sie in ihrem Jenseitsstreben bei den Rezipienten eine Orientierung an der irdischen christlichen Gemeinschaft hervorrufen und damit die Etablierung des Christentums befördern? Katharina Degen geht diesen Fragen anhand der zeitgenössischen Martyriumsberichte nach: Degen zeigt, dass die frühchristlichen Märtyrer nicht als weltabgewandte Sonderlinge, sondern als vorbildhafte Mitglieder einer oder mehrerer Gemeinschaften präsentiert wurden, für die sie sich bis zu ihrem Tod und sogar noch durch diesen einsetzten. Auf diese Weise verliehen die Berichte der problematischen Gestalt des Märtyrers eine identifikatorische und einheitsstiftende Wirkung.