Rezeptionsprozesse im Umgang mit literarischer Unbestimmtheit gehören zu den zentralen Anforderungen des Literaturunterrichts und können bereits von Beginn der Primarstufe an herausgefordert und unterstützt werden. Die Entwicklung entsprechender didaktischer Modelle setzt empirische Befunde zum Umgang von Leseanfänger*innen mit den Leer- und Unbestimmtheitsstellen literarischer Werken voraus, wie sie die vorliegende qualitativ-empirische Studie liefert. Das theoretische Fundament bildet dabei die eigenständige Entwicklung einer an Konzepten aus der Literaturwissenschaft sowie der Kunst- und Medienforschung orientierten Systematik der Leer- und Unbestimmtheitsstellen visuell erzählender Bilderbücher. Darüber hinaus liegt der Studie eine gründliche Sichtung innerhalb unterschiedlicher Fachdisziplinen vorliegender theoretischer Annahmen zu den durch Leer- und Unbestimmtheitsstellen evozierten Rezeptionsprozessen zugrunde. Die Untersuchung von Rezeptionsgesprächen zu einem visuell erzählenden Bilderbuch im Rahmen der Studie macht nicht zuletzt das hohe Potenzial des visuell erzählenden Bilderbuchs als Rezeptionsgegenstand sowie des Umgangs mit literarischer Unbestimmtheit als zentralen Schritt der Rezeption für das literarische Lernen im Lese- und Literaturunterricht deutlich. Damit liefert sie einen wichtigen Beitrag zur empirischen Grundlagenforschung in der Literaturdidaktik.