Konnte die Einrichtung von praxisorientierten akademischen Studiengängen die Verwaltungsapparate im späten Ancien Régime grundlegend modernisieren? Die Ausbildung von studierten Kameralisten ermöglichte qualifizierte staatliche Interventionen in die lokalen wirtschaftlichen Gegebenheiten. Durch ihr akademisch fundiertes ökonomisches Wissen dienten die studierten Kameralisten als Garanten für die Umsetzung umfangreicher bürokratischer Reformpläne. Am Beispiel der ersten kameralwissenschaftlichen Studienabsolventen in den südwestdeutschen Territorialstaaten untersucht Julius Gerbracht, welche Rolle diese Akteursgruppe für die fundamentalen Umbrüche in der Sattelzeit spielte. Sie war Teil der allgemeinen Bestrebungen von Regierungsbehörden und einer sich konstituierenden aufgeklärten Öffentlichkeit, eine Antwort auf die umwälzenden politischen und administrativen Transformationen zu finden. Gleichzeitig hing ihr politischer Gestaltungsspielraum davon ab, welches Vertrauen ihr von den etablierten staatlichen Akteuren entgegengebracht wurde und mit welchen bewährten Routinen sie sich innerhalb der Amtsstuben zu arrangieren hatte.