Romantische Subjektivität wird seit Hegel als Todesstoß für das epische Gedicht verstanden. Die strenge Form dieser traditionsgesättigten Gattung und ihr Totalitätsanspruch genügen nicht länger zur Darstellung romantisch-subjektiver Weltdeutungen. Dennoch entstehen in nahezu allen Ländern Europas und Lateinamerikas Heldengedichte, die in den jeweiligen Nationalliteraturen nicht selten kanonische Stellung einnehmen. Einige von ihnen erheben den Anspruch, sich weiterhin in die epische Tradition einzureihen, während andere jenseits von Epigonentum die Gattung transformieren und sich, wie beispielsweise in Esteban Echeverrías La cautiva (1837), der romantischen Ästhetik anverwandeln. Es entstehen neue Formen epischen Erzählens, die Dirk Brunke in dieser narratologischen Studie für den südamerikanischen Kulturraum des Río de la Plata untersucht. In den Epen aus Argentinien und Uruguay werden die Entfaltung romantischer Subjektivität und das Nebeneinander von lyrischem und epischem Erzählen beschrieben. Zudem treten neue Heldenfiguren ins Blickfeld epischer Dichtung, wie der Gaucho bei José Hernández (1872) und der Indianer bei José Zorrilla (1888).