Fasziniert von japanischen Farbholzschnitten entdeckte man im 19. Jahrhundert in ganz Europa die alte Kunst des Holzschnitts neu. Zu den Künstlerinnen und Künstlern, die diese Technik begeistert aufgriffen und modernisierten, zählten auch zahlreiche Mitglieder der Wiener Secession. Um die Wende zum 20. Jahrhundert fügte sich dieses vorrangig illustrative Medium durch seine Reproduzierbarkeit und leichte Verfügbarkeit ideal in ihr Konzept einer „Kunst für alle", die sämtliche Lebensbereiche durchdringen sollte. Maler, Grafiker und Kunsthandwerker wie Carl Moll, Maximilian Kurzweil, Emil Orlik, der für seine Farbholzschnitte international ausgezeichnete Ludwig Heinrich Jungnickel oder Koloman Moser, Mitbegründer der Wiener Werkstätte, verhalfen dem Farbholzschnitt zu neuem Ruhm und trugen maßgeblich zur Entwicklung einer modernen Bildsprache bei, die bereits auf den Expressionismus hindeutet. Ihre Arbeiten, viele davon abgedruckt in der Zeitschrift Ver sacrum, dem zentralen Publikationsorgan der Wiener Secession, beeindrucken heute noch durch ihre grafische und farbliche Intensität. Im Wien der Jahrhundertwende gab das älteste grafische Druckverfahren der Moderne entscheidende Impulse.

Zeitgleich mit einer Ausstellung in der Schirn Kunsthalle Frankfurt und der Wiener Albertina stellt dieser Band führende Beispiele der Renaissance des Farbholzschnitts in Wien um 1900 vor. Mehr als 40 Künstlerinnen und Künstler, darunter einige heute fast vergessene, werden vorgestellt, detaillierte Bildanalysen und begleitende Essays unterstreichen die bislang unterschätzte Tragweite dieses Kapitels in der Kunstgeschichte, in dem der Japonismus nachhallt und die Moderne bereits aufscheint.