Die kinetischen Plastiken des Schweizer Bildhauers Jean Tinguely (1925--1991) oszillieren in aktiviertem Zustand zwischen statischer Skulptur und ephemerem Geschehen, zwischen Objekt- und Ereignis -haftigkeit. Sie bringen ein plastisches Ereignis hervor. Erstmals wird hier der Ereignis-Begriff für die Skulpturtheorie fruchtbar gemacht, um die bewegte Skulptur der 1960er Jahre über den Begriff der kinetischen Plastik hinausgehend zu präzisieren und ihren Einfluss auf die zeitgenössische bewegte Skulptur zu offenbaren. Auf der begrifflichen Grundlage des plastischen Ereignisses werden die Entwicklungslinien von Jean Tinguelys Aktionsskulpturen zu jenen der nachfolgenden Generationen aufgezeigt.
Die Ereignishaftigkeit der bewegten Skulptur wird durch eine empirische Untersuchung der Plastiken Tinguelys definiert, welche die Materialität, Räumlichkeit und Zeitlichkeit, das Verhältnis zwischen Objekt und Betrachter sowie den situativen Kontext und die Aufführungspraxis einbezieht. Das plastische Ereignis wird aus produktions-, rezeptions- und wahrnehmungstheoretischer Perspektive untersucht und unter Rückgriff auf Jacques Derridas philosophische Studie zum Ereignisbegriff sowie der medienphilosophischen, theaterwissenschaftlichen und rezeptionstheoretischen Konzepte zum Ereignisbegriff von Dieter Mersch, Erika Fischer-Lichte und Martin Seel bestimmt. Darüber hinaus wird erstmals der für das Werkverständnis wichtige Zusammenhang von Tinguelys Interesse für die darstellenden Künste und seinem bildhauerischen OEuvre aufgezeigt.