FERNANDO PESSOA (1888 – 1935) gilt als der bedeutendste moderne Dichter Portugals, dessen Buch der Unruhe schon längst zu den Klassikern der Weltliteratur zählt. Weniger bekannt sind allerdings seine theoretischen Schriften, in denen der „von der Philo-sophie angeregte Dichter“ die Vielfalt seiner weltanschaulichen Ansichten und religiösen Orientierungen durch das Sprachrohr seiner berühmten Heteronyme zum Ausdruck bringt. Insbesondere aus den Jahren zwischen 1914 und 1918 stammen unzählige Aufzeichnungen Pessoas, die in Gestalt seiner heteronymen Reichhaltigkeit einen sowohl literarisch fesselnden als auch philoso-phisch oftmals kühnen Neopaganismus verkörpern. Starke Parallelen u.a. zu Nietzsches Abneigung gegenüber dem Christentum sind unübersehbar. In der vorliegenden Arbeit werden diese Aufzeichnungen erstmals unter einem philosophischen und religions-wissenschaftlichen Gesichtspunkt aufgegriffen und es kommt zwangsläufig zu der Frage, ob Neopaganismen unter den Bedingungen einer weithin säkularen Moderne zwangsläufig auf Polytheismen hinauslaufen müssen. Dabei wird sich letztlich zeigen, dass zwi-schen Pessoas Heteronymie und seinem neopaganistischen Programm eine nicht zu übersehende Wechselbeziehung besteht.