Der Mensch wird als Thema neu entdeckt. Vor dem Hintergrund seiner (tatsächlichen oder vermeintlichen) Gefährdung durch die Wissenschaften, die Massenmedien oder den Wertezerfall wird das Menschenbild derzeit möglichst interdisziplinär reflektiert. Und meistens leistet auch die Theologie dabei ihren obligaten Beitrag. Aber das eine, unveränderbare theologische Menschenbild gibt es nicht. Angesichts der wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen müssen Theologen und Theologinnen ihr Menschenbild immer wieder neu buchstabieren, damit ihre Aussagen für sie selber und für ihre Zeitgenossen verstehbar bleiben. Je nach Kontext werden sie dabei mit denselben Buchsta- ben der Tradition unterschiedliche neue Wörter und Sätze schreiben. In diesem Band stellen sich junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus unterschiedlichen Disziplinen der Theologie dieser Aufgabe. Dazu gehört zumeinen die kritische Reflexion der Tradition: Markus Saur (Altes Testament) fragt nach der Situation des Betenden in den Psalmen, Annette Schellenberg (Altes Testament) nach dem exemplarischen Menschsein bei Ben Sira und Gabriella Gelardini (Neues Testament) nach dem vollkommenen Menschen im Hebräerbrief. Zum andern gehört ebenso dazu die kritische Reflexion der Gegenwart: Luzius Müller (Ethik) untersucht die Diskussion um die Menschenwürde von Stammzellen, Heike Walz (Ökumene) die dekonstruktivistische Infragestellung der Zweige- schlechtlichkeit und Christina Aus der Au (Dogmatik) die Herausforderung der Neurowissenschaften in der Debatte um Geist und Gehirn. Dabei wird auch deutlich, in welch spannungsvollem, aber auch fruchtbarem Verhältnis die theologischen Disziplinen stehen. Ein gemeinsamer Umgang mit Tradition und Gegenwart ermöglicht eine Offenheit für viele Lebensentwürfe, in der man dennoch im Beziehungsraum gegründet bleibt, der dem Menschen von Gott aufgespannt ist.