Am Ende seines Denkweges erweist sich die ‚Seinsfrage‘ für Martin Heidegger als die Frage nach dem Wesen der modernen Technik und ihrem Verhältnis zum heutigen Menschen. Ziel dieser Untersuchung ist es daher zu zeigen, wie die spätere epochale Kritik an Wissenschaft und Technik mit dem früheren Versuch einer existenzialen Konstitution wissenschaftlichen Erkennens aus dem technischen Handeln des menschlichen Daseins in der Welt zusammenhängt und auf eine ‚Hermeneutik des Lebens‘ zurückweist, die Heidegger in Auseinandersetzung mit alternativen Ansätzen bereits seit seinen frühen Freiburger Vorlesungen formuliert hat. Während die Neukantianer und Phänomenologen in erster Linie darum bemüht waren, der akademischen Philosophie selbst ihre Bedeutung als ‚Wissenschaft‘ in einem strengen und umfassenden Sinne wieder zu verleihen, führte die Berufung auf das ‚Leben‘ als epistemische oder metaphysische Letztinstanz zu einem Spektrum an Konsequenzen, das sich von einer Wissenschaftsfundierung mittels der Transformation des traditionellen Rationalitätsmodells bis hin zu einer krisisdiagnostischen und ideologieanfälligen Wissenschaftsfeindschaft erstreckt. Beide Pole finden sich im Werk Martin Heideggers vermittelt und stellen den Zusammenhang zwischen der Philosophiekonzeption vor und nach der sogenannten ‚Kehre‘ her. Durch diese konstellative Interpretation kann somit dargelegt werden, dass der hermeneutische Schlüssel zu Heideggers Früh- und Spätwerk im Übergang von einer ‚Aneignung‘ Diltheys zur ‚Auseinandersetzung‘ mit Nietzsche zu suchen ist, und die Komplementarität von Konstitution und Kritik für die Analyse einer zunehmend technologisch imprägnierten Lebensform anzeigt. In diesem Sinne eröffnen das methodische Paradigma der Hermeneutik und das thematische Phänomen der Technik den Horizont für Heideggers Auslegung des Lebens und der Wissenschaft als Antwort auf die Krise der Moderne.