Das Verhältnis der Wissenschaft zu ihrer Öffentlichkeit und dessen Rückwirkungen auf die Wissenschaft genießt seit einigen Jahren besondere Aufmerksamkeit. Der Grund für das gewachsene Interesse ist eine neue gesellschaftliche Stellung der Wissenschaft. Die Wissenschaft trägt nach wie vor die Züge eines Standes: Sie existiert in relativer Abgeschiedenheit, ihre internen Operationen bleiben der Öffentlichkeit fremd, bis sie ihre Wirkung in Gestalt konkreter Verfahren und Technologien entfalten, auf die Einfluss zu nehmen dann kaum noch möglich ist. Unterstützung für die Wissenschaft wird durch die Öffentlichkeit notgedrungen weitgehend 'auf Kredit' und 'guten Glauben' gewährt. Genau das scheint sich aber zu ändern. Die Forderungen seitens der Öffentlichkeit, artikuliert im politischen Diskurs und in den Medien, nach größerem Einfluss werden nachhaltiger. Daran muss sich die Wissenschaft gewöhnen. Noch ist ihr Verhältnis zur Öffentlichkeit durch wechselseitige Versuche gekennzeichnet, die Kontrolle zu erlangen bzw. zu erhalten.
Zwei wechselseitig voneinander abhängige und aufeinander bezogene Entwicklungen lassen sich unterscheiden. Zum einen wird die Wissenschaft zum Gegenstand medialer Dauerbeobachtung. Die Innenwelt der Wissenschaft, ihre Verfahren der Konfliktlösung und der Qualitätssicherung, die Funktionsweise (und das Versagen!) ihrer Verhaltensnormen, die Konkurrenz der Wissenschaftler um Ansehen und Autorität, werden plötzlich öffentlich gemacht. Dabei wird 'die Wissenschaft' in der Öffentlichkeit und durch sie 'konstruiert', d.h. auf unterschiedliche Weise imaginiert und repräsentiert. In diesem Sinn kann man von einer Öffentlichkeit der Wissenschaft sprechen.
Zum anderen verändert sich die unter medialer Beobachtung stehende Wissenschaft. Indem sie auf die Erwartungen der Öffentlichkeit reagiert und sich anzupassen sucht, 'konstruiert' sie diese, ihre Öffentlichkeit. Diese Konstruktionen spiegelt sie in sich selbst, als Reaktionen auf vorgestellte Erwartungen. Sie wird 'medialisiert'. In diesem Sinn kann man von einer Wissenschaft der Öffentlichkeit sprechen.
Die Sammlung von Aufsätzen beleuchtet diese Prozesse in unterschiedlichen Ausprägungen und in ganz unterschiedlichen Kontexten. Es handelt sich um Vorträge, polemische Beiträge für Zeitschriften am Rande oder jenseits der wissenschaftlichen Fachkommunikation und auch solche, die dem üblichen Begutachtungsprozess der Kollegen unterworfen waren. Auch ein Märchen ist dabei. In diesem Sinn sind es Essays. Dem Thema entsprechend sind das Publikum dieses Bandes all diejenigen, die sich zur Öffentlichkeit der Wissenschaft im weitesten Sinn zählen, und wenn sie sich bei der Lektüre amüsieren, ins Fäustchen lachen oder ärgern, entspricht das den Absichten des Autors.