Die rasante Entgrenzung der Moderne hat bislang weder zu der von vielen erhofften Integration der Weltgesellschaft über abstrakte Normen individueller Freiheit und gegenseitiger Toleranz geführt noch zu der von anderen befürchteten kulturellen Homogenisierung. Mit der zunehmenden Überwindung räumlicher und zeitlicher Barrieren wuchs die Fragmentierung in Regionalgesellschaften, vervielfältigten sich kulturelle Differenzen und prägten sich die Feindschaften einer wachsenden Zahl von Völkerschaften immer markanter aus. Sind in der zerklüfteten Weltgesellschaft die interkulturelle Koexistenz unter der Herrschaft des Gesetzes, ein liberaler Verfassungskonsens oder eine demokratische Selbstbestimmung überhaupt noch vorstellbar? An dieser Fragestellung orientieren sich die Autorinnen und Autoren dieses Bands. Damit geht es um die "Verfassung" der Weltgesellschaft in dem weiten Sinn, der die juristischen Texte ebenso einschließt wie die innere Verfasstheit des Gemeinwesens. Es kann in guter/schlechter Verfassung sein oder eine gute oder schlechte Verfassung haben. Theoretisch zeigen die Beiträge eine tiefer gehende Gemeinsamkeit: Sie weisen die herkömmliche Verortung der Gesellschaften des Südens im "Warteraum der Geschichte" (D. Chakrabarty) zurück, denn es gibt keinen Außen- oder Vorraum der Weltgesellschaft: Zentren und Peripherien sind längst ineinander verschlungen. Die Folgen daraus sind auch im Alltag zu spüren - und sie sind nicht nur negativ.