In der mentalitätsgeschichtlich orientierten historischen und soziologischen Forschung, die den Umgang mit dem Tod zum Gegenstand hat, ist die ‚Verdrängung des Todes’ am Umbruch zur Moderne geradezu ein allgemeines Schlagwort geworden. Speziell in Bezug auf die literarische Produktion des hier gesetzten Zeitraums um 1900 erscheint es befremdlich, in einer Epoche, die sich auffällig häufig mit der Thematik von Tod und Sterben beschäftigt, von Dokumentationen einer Verdrängung zu sprechen. Inwieweit die These einer Ausgrenzung des Todes in der fiktionalen Welt der Literatur der Jahrhundertwende einen Niederschlag findet, wird anhand dreier bewußt wegen ihrer relativen zeitlichen Nähe ausgewählten Werke untersucht. Theodor Fontanes Der Stechlin, Thomas Manns Buddenbrooks und Arthur Schnitzlers Sterben dienen als Basis, um das Verhalten zum eigenen wie zum fremden Tod sowie die literarische Darstellung dieser Verhaltensweisen, deren Beurteilung als Ausdruck einer historisch geprägten Haltung, einer spezifischen Mentalität zu beurteilen. Dabei entsteht ein durchaus disparates Bild als Resultat der vielfältigen zeitgenössischen Umbruchsituation, der radikalen Veränderung der Lebenswelt, aber auch der Parallelen wie Differenzen der künstlerischen Konfrontation mit dem Sterben. Gerade der Charakter der Fiktion gibt Aufschluß über spezifische Aspekte der jeweiligen ganz persönlichen Haltung zum menschlichen Lebensende, der jeweiligen Mentalität im Umgang mit dem Tod.