Das Amöneburger Becken, gelegen im Landkreis Marburg-Biedenkopf, ist weit über Hessen hinaus ein Synonym traditioneller ländlicher Kultur. Besonders die farbenreiche Kleidung der bis 1803 zu "Kurmainz" gehörigen Orte gelten als Inbegriff ‚katholisch' geprägter Kultur. Ein wichtiges Ereignis des katholischen Kirchenjahres ist bisher dort nur spärlich untersucht - gleichwohl Fronleichnam im Außenbild der Region fest verankert ist. Hier rückt besonders der ephemere Schmuck aus Blumen, Leuchtern, Heiligenfiguren und Stickereien an Altären und Ehrenpforten in den Mittelpunkt, der für wenige Stunden das Fest zur Ehre des Heiligen Altarsakramentes zu erhöhen sucht.
Vielen erscheint solch Dekor als Zeichen ‚uralter' Volksfrömmigkeit oder wird oft als ein Überbleibsel barocker Prachtentfaltung interpretiert. Zwar ist das Fest seit dem Mittelalter bekannt, jedoch hat sich der Schmuck dieses Tages in seiner üppigen Form in Hessen erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelt, und blühte bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts nahezu unverändert. Fixpunkte dieser Hochphase markieren der 'Kulturkampf' der 1870/80er Jahre zwischen dem preußischen Staat und der römisch-katholischen Kirche und das Zweite Vatikanische Konzil 1962/65, das den Weg der Ökumene ebnete. Seither findet sich die Ausstattung dieses Tages in den katholischen Dörfern um die Amöneburg in steter Wandlung. Hierfür tragen aber auch noch andere Faktoren Rechnung: Wechsel der Wirtschafts-, Dorf- und Familienstrukturen, persönliches Engagement oder Desinteresse der Einwohner wie Geistlichen.
Die Publikation will die Entwicklung der Schmuckformen zu Fronleichnam in diesen Orten, ihre Vorlagen, die Herkunft der verwendeten Materialien und Requisiten sowie die Akteure bis in unsere Gegenwart vorstellen. Dennoch soll nicht nur der kulturhistorische Kontext dieser Entwicklungen hinterfragt werden, sondern umfangreiches Bildmaterial das 'Auge erfreuen'.