Vor allem aus postmoderner Perspektive werden Momente von Offenheit an der Moderne profiliert, die ein kritisches Potential gegenüber deren Tendenzen zu Vereinheitlichung und Universalisierung bilden. In diesem Sinne postmodern avant la lettre – so die These dieser Untersuchung – sind auch Theoriebildung wie poetische Praxis der zentralen tschechischen Avantgardebewegung des Poetismus, die zeitgleich mit dieser sich entwickelnde Semiotik und Ästhetik des Prager Strukturalismus sowie das Denkgebäude des russischen Literatur- und Kulturtheoretikers Michail Bachtin. Sie alle entwerfen ein Modell von Offenheit und gehen dabei von einem Zusammenhang zwischen offener Kunst und offener Gesellschaft aus. Die Untersuchung rekonstruiert zunächst die verschiedenen Phasen von Bachtins theoretischem Denken, bevor prägnante Werke poetistischer Dichtung daraufhin analysiert werden, ob und wie sie einen offenen Sinnbildungsprozess fundieren.