Zu den kulturwissenschaftlichen Orientierungen nach dem Zweiten Weltkrieg zählte es (und zählt es noch immer), die deutschsprachige Literatur der Klassischen Moderne aus der Zeit vor 1933 nach Möglichkeit von den politischen Totalitarismen des 20. Jahrhunderts abzugrenzen und sie in dieser Absicht legitimatorisch für die eigene Gegenwart zu berufen. Demgegenüber nimmt der Band eine Relektüre in Angriff: Gezeigt wird, daß sich wichtige Werke dieser klassisch modernen Literatur gerade über ihre ästhetischen Verfahren, über autoritative Poetologien textueller Schliessung und allenfalls sekundär über ihre manifesten Aussagegehalte in eine signifikante Nähe bringen zu modernen politisch-totalitaristischen Impulsen. Die im Band versammelten Beiträge behandeln ein weites Spektrum literarischer (Benn, Rudolf Borchardt, Brecht, Broch, George, Hofmannsthal, Jünger, Kafka, Alfred Kubin, Karl Kraus, Musil, Thomas Mann, Wedekind), aber auch nicht-literarischer Autoren (Benjamin, Ernst H. Kantorowicz, Georg Lukács, Carl Schmitt, Georg Simmel, Wilhelm Worringer).