'Gewalt' hat Konjunktur - nicht nur in der Tagespresse, sondern auch in der historischen Forschung. Seit etwa zehn Jahren hat sich hier im Zuge der 'kulturwissenschaftlichen Wende' eine Neuausrichtung ergeben insofern, als Gewaltformen und -handlungen nicht mehr eindeutig zugeordnet werden können zu 'Tätern' und 'Opfern', oder dezidiert getrennt betrachtet werden als 'strukturelle' versus 'aktuelle' Gewalt, als (soziales) Randphänomen beziehungsweise zentrale Bedingung von Herrschaft. Vielmehr stehen nun neue Einschätzungen von Gewaltausübung im Raum, die von Gewalt als einer alltäglichen menschlichen Verhaltensform vor allem vormoderner Gesellschaften ausgehen, als allgemein übliches und 'primitives Modell des direkten persönlichen Interessenaustauschs', ja, sogar als 'Ausdruck überschwenglicher Lebenslust'. Diese Neubetrachtung und -bewertung von Gewalt führte hin zu einer radikalen Kontextualisierung von Gewalthandlungen als symbolischer Interaktion, deren Sinn nicht zuletzt in der Herstellung von Geschlechterordnungen und -differenzen liegt. Gerade in diesem Zusammenhang zeigen sich erhebliche Unterschiede in der Beurteilung von Gewalthandlungen hinsichtlich der beteiligten Personen; Angehörigen verschiedener sozialer Gruppen, Geschlechter und/oder Generationen wird Gewalthandeln in sehr unterschiedlichem Mass 'gestattet' beziehungsweise untersagt - und diese Regeln variieren zudem je nach zeitlichem und räumlichem Kontext.